Donnerstag, 8. November 2012

"Ihr könnt ja gar nicht mehr spielen!"

Solche genervten Ausrufe kamen des öfteren von meiner Oma.

Ist denn der demographische Wandel und die wachsende Infrastruktur Schuld der Kinder? Was können bzw. konnten wir denn dafür, dass zum einen in der Nachbarschaft nicht zig Kinder herumliefen, die man durch Pfeifzeichen auf die Straße holen konnte, um dort mit einem Ball oder Reifen oder was-weiß-ich noch spielen zu können? Können denn wir - damals - Kleinsten etwas dafür, wenn man Einzelkind ist und in einem Einfamilienhaus aufwächst, ohne gleich den Freundeskreis im Hof zu haben? Wenn dieses Einfamilienhaus an einer stark befahrenen Ausfallstraße liegt, sodass das Spielen außerhalb des hauseigenen Gartens ziemlich gefährlich war, die Gefahr, unter die Räder zu kommen, nicht zu verachten? Ich denke nicht.

Wie also sollte man in großen Gruppen Massenspiele spielen können, wie es in den 1920ern noch üblich war und man nicht zufällig in einer eher ländlichen Gegend oder in einer Wohngegend mit Mietshäusern wohnte?

Und was heißt überhaupt, wir konnten nicht spielen? Die meisten Spiele fanden zwar nur zu zweit statt, aber unter mangelnder Phantasie litten wir selten. Auch war wenig Material nötig, um Spaß zu haben.

Bei einer Freundin im Vorgarten (das Haus hatte die Haustür im ersten Stock, sodass eine hohe Treppe hinaufführte und der Plattenweg zu der Treppe war auch lang) genügte ein Ball, um stundenlang zu zweit komplizierte Fangspiele zu spielen.
Im Gegenzug dazu gab es bei uns zwar keine Treppe, die man hätte nutzen können, dafür aber stand im Garten eine Rutsche, die Auffahrt zum Carport war lang und der Garten an sich auch groß, sodass wir mit Hilfe der Rutsche und eines Hula-Hoop-Reifens ein ähnliches Spiel entwickelten.

Sehr beliebt in Schulpausen waren - und hier kamen dann auch die Gruppenspiele zutage - Hinkebock in der Grundschule (dies auch gern allein mit Freunden - wenn keine Hüpfkästchen aufgemalt waren, hat man schnell mit einer Tonscherbe oder einem Stück Kreide alles aufgemalt); später dann Gummitwist oder Eierhüpfen. Mehr als ein entsprechendes Hüpfgummi oder ein Tennisball und eine Wand waren nicht nötig.

Und dann gab es auch noch die Rollenspiele. Dafür benötigten wir gar nichts weiter. Entweder es fand im Garten statt (dann war ein Baum eben mal eine Höhle) oder im Haus (bei uns im Eingangsbereich), und Spaß hat es immer gemacht.

Nur weil sich die Spiele gewandelt haben, kann man doch nicht sagen, dass wir nicht gespielt haben, oder? Reifen schlagen oder mit Kreiseln spielen mag für die Generation meiner Oma Spaß genug gewesen sein, aber wir waren eine andere Generation, genau wie die jetzigen Kinder eine ganz andere Generation sind als wir. Ob und wie sie noch selbstständig spielen, weiß ich nicht, da ich keine Kinder habe, aber Phantasie wird es in jeder Generation geben, und mit Sicherheit gibt es auch jetzt noch genug Kinder, die auch ohne großen technischen Schnickschnack spielen können, so wie wir damals. Nicht nur, aber auch.

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